Am 23. Februar 1923 hielt die damals 28-jährige Physiologin Rahel Plaut ihre Antrittsvorlesung an der Medizinischen Fakultät Hamburg. Sie war die erste und blieb für viele Jahrzehnte die einzige habilitierte Ärztin an der Hamburger Universität.
In der Zeit des Nationalsozialismus als Jüdin verfolgt, emigrierte sie Ende 1938 mit ihrer Familie nach England. 100 Jahre später ehrt das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) die Professorin mit der Einweihung des „Rahel Liebeschütz-Plaut Hörsaals“ auf dem UKE-Campus. Ein Schriftzug wird künftig auf die Namensgeberin hinweisen.
„Genau heute vor 100 Jahren hielt Rahel Liebeschütz-Plaut nach ihrer Habilitation ihre Antrittsvorlesung hier an der Medizinischen Fakultät. Sie war die erste habilitierte Ärztin an der Universität Hamburg und hatte herausragende Zukunftsperspektiven – bis sie 1933 ihre Lehrerlaubnis verlor, weil sie Jüdin war. Rahel Liebeschütz-Plaut war eine Pionierin und ist bis heute ein Vorbild für Frauen, die eine Karriere in der Medizin anstreben. Ein Mentoring-Programm für Forscherinnen trägt seit fast zehn Jahren ihren Namen und fördert Habilitationsprojekte von Ärztinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen. Ich freue mich sehr, dass wir an diesem geschichtsträchtigen Tag einen Hörsaal nach Rahel Liebeschütz-Plaut benennen und ihr wichtiges Erbe sichtbar weitertragen,“ sagt Katharina Fegebank, Senatorin der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke.
„Rahel Plaut habilitierte sich als erste Frau an der Medizinischen Fakultät Hamburg, ihre Karriere wurde jedoch abrupt durch den Entzug der Lehrerlaubnis beendet. Ein mehr als unrühmliches Kapitel in der Geschichte der Universität Hamburg. Mit der Benennung des Hörsaals können wir das Geschehene nicht wiedergutmachen. Wir können aber dazu beitragen, die Erinnerung daran wachzuhalten, damit nie wieder solch ein Geist mit seinen verheerenden Folgen in die Hochschule einzieht. Ich danke allen, die sich dieser wichtigen Erinnerungsarbeit verpflichtet fühlen“, sagt Prof. Dr. Blanche Schwappach-Pignataro, Dekanin der Medizinischen Fakultät und Vorstandsmitglied des UKE.
Zur offiziellen Einweihung des Hörsaals waren neben Mitarbeitenden und Studierenden des UKE auch Mitglieder der Familie aus Großbritannien anwesend. Die Initiative zur Hörsaalbenennung war vom Fakultätsrat des UKE ausgegangen, der sich seit langem mit Gedenkkonzepten beschäftigt, um sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit im Universitätsklinikum auseinanderzusetzen. Mit der Einweihung des „Rahel Liebeschütz-Plaut Hörsaals“ ist nun ein weiterer Impuls für ein aktives Gedenken gesetzt, weitere Vorschläge zur Benennung der großen UKE-Hörsäle werden zurzeit erarbeitet.
Schon in der Vergangenheit haben die Familien Liebeschütz und Plaut die Universität Hamburg wissenschaftlich und ideell unterstützt und maßgeblich zu ihrer Gründung beigetragen. 1989 war Rahel Liebeschütz-Plaut als Ehrengast bei der 100-Jahr-Feier des UKE. Seit zehn Jahren trägt ein Mentoring-Programm für UKE-Forscherinnen ihren Namen. Dessen Ziel ist es, die Anzahl der Habilitandinnen zu erhöhen und durch die Berücksichtigung von Diversity-Dimensionen die Vielfalt des wissenschaftlichen Nachwuchses zu fördern.
Rahel Liebeschütz-Plaut
Rahel Liebeschütz-Plaut studierte Medizin in Freiburg im Breisgau, Kiel und Bonn, habilitierte 1923 in Physiologie in Hamburg und war damit die erste Privatdozentin. 1924 heiratete sie den Historiker Hans Liebeschütz. Da ein Gesetz verheirateten Frauen die Ausübung öffentlicher Ämter verbot, verlor sie daraufhin ihre Stellung im Krankenhaus Eppendorf. In den Folgejahren wurde der Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft und auch im akademischen Umfeld immer bedrohlicher, 1933 begann die nationalsozialistische Verfolgung. Die Universität Hamburg entzog ihr als Jüdin die Lehrerlaubnis. Ende 1938 emigrierte Rahel Liebeschütz-Plaut mit ihrer Familie nach England. Dort arbeitete sie ehrenamtlich für den Women’s Royal Voluntary Service.
Quelle: www.uke.de